KOSMOS electronic digital, 2003

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KOSMOS electronic digital, 2003

Ungelesener Beitragvon FrankR » 17. Feb 2012, 12:35

Mit diesem Baukasten aus dem Jahre 2003 konzentrierte sich KOSMOS auf das Thema Digitaltechnik.

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Die Fakten

Der Baukasten wendete sich an Kinder von ca. 8 bis 10 Jahren. Neben den üblichen elektronischen Bauteilen (wie LEDs, Widerstände, Kondensatoren, Transistoren usw.) enthielt er zwei IC-Bausteine mit 4 NAND-Gattern bzw. 2 JK Flip-Flops.

Ob Burkhard Kainka, der auch viele Baukästen für den Franzis Verlag entwickelt hat, nur für das Handbuch oder auch auch für die Entwicklung des gesamten Baukastens verantwortlich war, läßt sich dem Impressum des Handbuchs nicht entnehmen. Dort ist er zumindest als für den Text verantwortlich bezeichnet.

Beim Öffnen des Baukastens erlebte ich zunächst eine große Überraschung: Der Baukasten (d.h. die Bauplatte / das Schaltpult, oder wie auch immer man es bezeichnen möchte) ist von der Stabilität - wenn überhaupt - mit einem einfachen Schuhkarton vergleichbar. Er besteht tatsächlich aus nichts anderem als sehr dünner Pappe, die an einigen Stelle mit Tesafilm fixiert wurde. Die Pappunterseite ist einfach in die Pappseitenteile und die Oberseite hineingesteckt. Bereits nach wenigen Versuchen ist dieser Karton an den Ecken bestoßen und der Kasten nicht mehr in seiner ursprünglichen Form!

Die Schaltungstopologie ist (erstmals bei KOSMOS?) als geschlossenes Verdrahtungssystem konzipiert, d.h. alle Bauteile sind nach ihrer Art sortiert fest mit der Aufbauplatte verbunden, und werden, je nach Schaltung, mit Kabelverbindungen untereinander verbunden (zu verschiedenen Schaltungstopologien siehe auch Schaltungstopologien - erinacom.de).

Die Bauteile sind über Klemm-Spiralfedern (dies erinnert sehr stark an die Elektronik-Baukästen von Philips) mit der Pappe verbunden. Ebenfalls werden die Kabelverbindungen über die Spriralfedern verbunden.

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Die folgenden Bilder zeigen noch einmal genauer die Befestigung eines Bauteils an der Pappe, sowie die einzelnen Bauteilgruppen in detaillierterer Darstellung:

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Das Experimentierboard ist fertig vorbereitet und aufgebaut. Alle Spiralfedern sind in der Pappe eingesteckt, alle Bauteile über die Spiralfedern mit dem Board verbunden. Bei Defekt einzelner Bauteile ist es einfach möglich, die defekten Bauteile vom Board zu entfernen und durch neue Bauteile zu ersetzen.

Wie erwähnt erfolgt die Verbindung der einzelnen Bauteile über Kabelverbindungen mit einander. Schaltdraht liegt dem Baukasten in einem Bündel langer Drähte (30 cm) und einem Bündel kurzer Drähte (15 cm) bei. Diese Drähte sind ebenfalls bereits fertig vorbereitet. Die Drähte sind an ihren Enden abisoliert, verdrillt und verzinnt. Die Spannung der Spiralfedern ist sehr groß. Da die verzinnten Drahtenden sehr dünn sind (Durchmesser unbekannt), kann der Bruch der Drahtenden vom Rest des Drahtes nach einigen(?) Versuchen und der Entfernung aus den starken Spiralfedern schließlich erwartet werden.

Die Verbindung der Verbindungsdrähte mit den Spiralfedern ist sehr stark, so daß der Kontakt der Bauteile untereinander sehr gut ist!

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Bauteile und Versuchsaufbau

Das Handbuch beginnt mit einer kurzen Einleitung und dem Inhaltsverzeichnis / Verzeichnis der Versuche:

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Auf weiteren Seiten werden die Im Baukasten verwendeten Bauteile kurz beschrieben und erläutert, wie die Schaltungen der einzelnen Versuche aufzubauen sind:

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Die Einführung der Bauteile erfolgt recht knapp und oberflächlich! Die über Jahre bekannte Darstellung (Jahrzehnte eigentlich, da erstmalig im Radiomann verwendet) der Transistorfunktionalität über eine Wasserschleuse scheint hier komplett vergessen zu sein.

Der Baukasten enthält sogar 2 verschiedene Transistortypen: NPN und PNP! Warum dies aber so ist, wofür hier diese beiden verschiedenen Typen gebraucht werden, ist nicht zu erkennen. Die einzelnen Schaltungen geben hier auch keine Antwort.

Interessant ist natürlich die 7-Segment-Anzeige - normalerweise das Kernstück für die Ausgabe der Ergebnisse von digitalen Schaltungen. Leider fehlen die wesentlichen Bauteile, die einen sinnvollen Einsatz der 7-Segment-Anzeige erst möglich machen. Das wichtigste Bauteil ist wohl ein BCD-Dekoder zur Ansteuerung der 7-Segment-Anzeige. Ein solcher Dekoder muß natürlich auch mit entsprechenden binären Werten, die er dann dekodiert, versorgt werden. Da aus den wenigen vorhandenen digitalen Bauteilen (2 JK-Flip-Flops, 4 NAND-Gatter) keine großartigen Zähler zu bauen sind, wäre der Einsatz eines Zählerbausteins sinnvoll gewesen. Da diese Bauteile aber nicht vorhanden sind, kann auch die 7-Segment-Anzeige nicht sinnvoll eingesetzt werden. Es bleibt bei einem Versuch, in dem diese wenigstens einmal zwischen 2 Anzeigen hin und her geschaltet werden kann.

Der Aufbau der einzelnen Schaltungen läßt sich - wenn man es denn so will - vollkommen mechanisch ausführen. Jede Spiralfeder ist auf der "Aufbaupappe" mit einer Nummer versehen. Jeder einzelne Versuch bietet 3 verschiedene Möglichkeiten, den Versuch aufzubauen, d.h. die Bauteile mit einander über Drahtverbindungen zu verbinden:

  • Ein Aufbauplan, der den realen Baukasten mit seinen Bauteilen und den erwähnten Nummern der Spiralfedern graphisch wiedergibt. Die Verbindungsdrähte sind in diesen Grafiken mit abgebildet, so daß man nur noch entsprechend der Nummern die entsprechenden Spriralfedern über Verbindungsdrähte mit einander verbinden muß. Besonders bei Versuchen, die viele Verbindungsdrähte erfordern, ist diese Vorgehensweise äußerst unübersichlich.
  • Ein normaler Schaltplan, bei dem allerdings an den Verbindungspunkten der Bauteile zusätzlich die erwähnten Nummern eingetragen sind.
  • Eine sogenannte Drahtlegeliste, die nichts anderes enthält als die Reihen der Nummern von Spiralfedern, die mit einander zu verbinden sind. Dies mag für eine Kontrolle der Verbindungen bei nicht funktionierenden Schaltungen hilfreich sein, verführt aber auch dazu, einen Schaltungsaufbau schnell und ohne Verständnis hinter sich zu bringen: Hauptsache im Anschluß blinkt es wie gewünscht.

Beispiele für diese Darstellungen finden sich später bei den vorgestellten Versuchen.


Einzelne Schaltungen

Die erste hier vorgestellte Schaltung verwendet nur analoge Bauteile:

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Versuch 3 - Der Licht-Dimmer

Der Versuch zeigt sehr schön den Lade- und Entladevorgang bei einem Kondensator. Als problematisch aber sehe ich hier bereits das Vorhaben an, zwei verschiedene Vorgänge (Laden/Entladen eines Kondensators, Stromverstärkung durch den Transistor) in einem Versuch darzustellen. Bisher hat man in den Anleitung bei der Beschreibung der einzelnen Bauteile über den Kondensatornur gelernt, daß er Ladung speichern kann. Mehr wird auch in diesem Versuch nicht erläutert. Warum z.B. wird die LED langsam heller, je länger der Kondensator aufgeladen wird? Und was und warum muß der Transistor überhaupt verstärken? Erklärt wird hier eigentlich garnichts!

Weiter geht's mit der oben bereits erwähnten 7-Segment-Anzeige - jeder Anschluß entspricht einem der 7 Segmente. Über die Kombination der Anschlüse, die auf den Minuspol der Spannungsversorgung gelegt werden,können verschiedene Ziffern zusammen gesetzt werden:

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Versuch 2 - Die Siebensegmentanzeige

Sinnvoll erscheint der Aufbau der logischen Grundschaltungen (NICHT, ODER, UND, NAND und NOR) aus Transistoren, bevor mit dem Einsatz der digitalen IC-Bauteile begonnen wird. So wird gezeigt, wie sehr die Schaltungen vereinfacht werden durch den Übergang vom diskreten Aufbau aus einzelnen elektronischen Bauteilen zum Aufbau unter Verwendung logischer Gatter in IC-Bausteinen. Als Beispiel wird hier der Aufbau der logischen UND-Schaltung aus Transistoren vorgestellt:

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Versuch 8 - Eine UND-Schaltung aus Transistoren

Hier sehen wir den bereits oben erwähnten Einsatz der zwei verschiedenen Transistortypen NPN und PNP. Eine Motiv für die Verwendung verschiedener Transistortypen wird nicht gegeben und ist nicht zu erkennen. Die Schaltung zeigt dadurch eine unschöne Asymmetrie: Ein Eingang liegt auf dem Emitter des PNP Transistors, der andere Eingang liegt auf der Basis des NPN Transistors. Eine Erläuterung des Schaltungsverhaltens wird nicht gegeben!

Etwas symmetrischer würde der Aufbau auch erscheinen, wenn statt des Tasters und des Umschalters zwei Taster verwendet würden.

Überhaupt kann die Verwendung von Tastern oder Schaltern das Verständnis logischer Grundschaltungen behindern. So könnte der Anfänger fragen, warum überhaupt dieser ganze Schaltungsaufwand notwendig ist, wenn doch die Verwendung zweier Schalter hinter einander genügt, um eine einfache UND-Verknüpfung zu erhalten. Leider fehlt hier der Hinweis auf die Kombination verschiedener logischer Grundschaltungen zu komplexeren logischen Schaltungen. Und dort werden eben keine mechanischen Schalter mehr verwendet, sondern die Ausgänge logischer Grundschaltungen werden mit den Eingängen anderer logischer Grundschaltungen verknüpft, wobei der Spannungspegel der Ausgänge die Eingänge der folgenden Schaltungen ansteuern.

Da nur ein einzelner Gattertyp bei den IC-Bausteinen vorhanden ist (4 NAND-Gatter) ist es notwendig, andere logische Grundschaltungen aus NAND-Gattern zusammen zu setzen. Dies wird für die Grundschaltungen NICHT, ODER, NOR, UND und EXCLUSIV-ODER vorgeführt. Als Beispiel zeigen wir den Aufbau der ODER-Schaltung aus NAND-Gattern:

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Versuch 14 - Das ODER-Gatter aus drei NAND-Gattern

Im Unterschied zu den bisher vorgestellten Versuchen gibt es hier bzgl. des elektronischen Schaltungsaufbaus nicht viel zu erklären (außer vielleicht der Frage, warum zwischen Taster und dem ersten NAND-Gatter ein 470Ω Widerstand eingebaut wurde - zumindest die Möglichkeit einer Kurzschlußverbindung ohne diesen Widerstand sollte doch erwähnt werden!)

Ob die logische Erklärung, warum aus drei NAND-Gattern hier eine ODER-Schaltung entsteht, ausreicht, darüber soll jetzt nicht gestritten werden!

Sehr interessant sind die Schaltungen, bei denen sowohl logische, als auch digitale Anteile vorhanden sind. Es sind dies die Versuche, in denen der Aufbau von Multivibratoren (z.B. bistabile Flip-Flops, astabile Vibratoren als Tongeneratoren, monostabile Vibratoren als Zeitkomponenten) aus einfachen logischen Gattern, hier also die NAND-Gatter, gezeigt werden. Hierzu sind natürlich auch Kondensatoren für die astabilen und monostabilen Vibratoren notwendig, als auch Transistoren als Verstärker, z.B. zur Ansteuerung des Lautsprechers. Als Beispiel zeigen wir den Versuch, zur Umschaltung einer LED oder eines Tongenerators. Diese Schaltung ist schon recht komplex. Sie enthält ein Flip-Flop zur Umschaltung zwischen LED und Tongenerator, einen astabilen Multivibrator als Tongenerator, eine Verstärkerschaltung zur Ansteuerung des Flip-Flops über Fingerberührung und eine Verstärkerschaltung für die Ansteuerung des Lautsprechers.

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Versuch 18 - Licht oder Ton

Außer einer "Bedienungsanleitung" enthält der Beschreibungstext keine Erläuterungen. Dabei muß bedacht werden, daß es sich in der Reihe aller Versuche um die erste Schaltung dieser Komplexitätsstufe handelt. Immerhin werden hier erstmals ein Flip-Flop und ein astabiler Multivibrator aufgebaut. Sinnvoller wäre es auf jeden Fall diese wichtigen digitalen Grundkomponenten einzeln einzuführen und separat genau zu erläutern - was hier leider nicht geschieht! Interessanterweise werden erst in späteren Versuchen das Flip-Flop und der astabile Multivibrator als Tongenerator separat beschrieben - leider aber wieder ohne nennenswerte Erläuterung.


Fazit

Das ich an diesem Elektronikbaukasten viel zu kritisieren habe, wird man bereits in den vorangehenden Abschnitten bemerkt haben. Alle Kritikpunkte habe ich dort bereits vorgebracht und begründet. Deshalb will ich hier nicht allzu sehr ausschweifen, sondern meine Kritikpunkte nur noch einmal zusammenfassen.

Bei aller Kritik muß bedacht werden, für welche Zielgruppe dieser Baukasten überhaupt konzipiert wurde (laut Angabe in der Anleitung): Gedacht ist der Baukasten für Kinder von 8 bis 10 Jahren. An keiner Stelle ist allerdings die Rede von vorausgesetzten Vorkenntnissen - allerdings wird auch nicht mit dem Slogan "ohne jede Vorkenntnisse" geworben.

Für Kinder der genannten Alterstufe von 8 bis 10 Jahren ohne elektronische Vorkenntnisse erscheint mir dieser Baukasten nicht passend zu sein. Die Versuche sind vielfach zu trocken (z.B. die Darstellung verschiedener logischer Grundschaltungen durch Zusammenschaltung von NAND-Gattern), eintönig (immer wieder leuchtet entweder die eine oder die andere LED - na und? fragt sich da vielleicht der 8-jährige ...) und ohne motivierende Begleitung in der Anleitung (man denke nur an Daniel Düsentrieb in den beiden ersten Baukästen der X1000-Reihe).

Zusammenfassend kann ich sagen, daß das Konzept dieses Baukastens vorne und hinten nicht passt ...

  • Die intendierte Alterstufe scheint die falsche zu sein
  • Der Anleitungstext hat mehr oder weniger nur eine Alibifunktion - eine verständliche Erläuterung der Versuche findet nicht statt
  • Die 7-Segment-Anzeige kann wegen fehlender Bauteile (Dekodierer, Zähler, etc.) nicht sinnvoll genutzt werden
  • Das geschlossene Verdrahtungssystem erlaubt keine Erweiterung für zusätzliche Bauteile und eigene Versuche
  • Die Verwendung zweier unterschiedlicher Transistortypen (NPN bzw. PNP) ist völlig unmotiviert
  • Der Aufbau aus Pappkarton trägt nicht zur langen Lebensdauer des Baukastens bei

Um diesen Baukasten aber nicht vollkommen zu verdammen, soll noch das Folgende gesagt sein:

Für diejenigen, die bereits elektronische Vorkenntnisse mitbringen, kann dieser Baukasten durchaus die erste Berührung mit der Digitaltechnik sein - wobei allerdings die oberflächlichen Erläuterungen zu den einzelnen Versuchen zur Wissensvermittlung nicht besonders beitragen. Der Aha-Effekt für diese Gruppe muß durch eigenes Nachdenken erreicht werden!

Solltet Ihr mit dieser harten Kritik nicht einverstanden sein, so bitte ich um Antworten und Stellungnahmen zu diesem Beitrag - Kritik ist durchaus erwünscht!


FrankR
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Re: KOSMOS electronic digital, 2003

Ungelesener Beitragvon FrankR » 12. Mär 2012, 13:12

Mein Beitrag zum Baukasten Kosmos electronic digital ist endlich fertig gestellt!

Ich bitte alle um Entschuldigung, die sich bisher mit einem halben Beitrag zufrieden geben mußten.
Erweitert wurde der Beitrag um die Vorstellung einiger Versuche und sehr viel Kritik an diesem Baukasten.

Dieser Beitrag ist nun fertig und wird nicht mehr verändert (es sei denn, daß kleinere Korrekturen notwendig sind).
Sollten mir noch notwendige Erweiterungen einfallen, so werde ich diese in diesem Thread als Antworten einstellen.

Da ich selbst sehr unzufrieden mit der Konzeption dieses Baukastens bin, ist meine Kritik vielfach sehr hart ausgefallen.
Sollten einige Leser anderer Meinung sein - entweder weil sie den Baukasten selbst kennen, oder weil sie meine Kritik zu den vorgestellten Beispielen nicht teilen können - so würde ich mich sehr über gegenteilige Meinungen freuen!

Kritik an meiner Kritik ist durchaus erwünscht!
Ich bedanke mich schon im Voraus für eventuelle Antworten!

Gruß von
Frank
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