Der Elektromotor aus dem Elektromann 1973

Alte Kästen - Versuche nachgebaut und neue Ideen

Der Elektromotor aus dem Elektromann 1973

Ungelesener Beitragvon lunar_surfer » 7. Dez 2015, 20:04

Hallo zusammen,
der Elektromotor ist die Krönung der Experimente aus dem Elektromann, handwerklich mit Abstand das Anspruchsvollste daraus.
Die Anleitung bietet zuvor eine Reihe von einfacheren Experimenten, mit denen in mehreren Schritten die Funktionsweise des Motors erklärt wird.
Leider ist sie auch für die Verhältnisse der 70er Jahre etwas altbacken und legt den Schwerpunkt auf die technische Anwendung der beobachteten Phänomene, die für sich systematisch kaum erläutert werden.

Der Motor-Versuch hat sicherlich für zahlreiche Enttäuschungen und Wutanfälle in den Kinderzimmern gesorgt. Er hat drei entscheidende Knackpunkte, nämlich
- das Wickeln der drei Spulen des 3-T-Ankers,
- der Aufbau der Kollektorlamellen bis zum Anschluss an die Spulen,
- die Herrichtung der Schleifkontakte.
Alles andere ist übliches Schrauben und Klempnern wie in den anderen Versuchen - zwar aufwändig, aber die dafür nötige Erfahrung kann in diesem Stadium vorausgesetzt werden.
Ebenfalls problematisch ist der hohe Materialverbrauch in diesem Versuch. Mit Verbrauch meine ich nicht die Zahl der benötigten Teile, sondern nur die Teile, die dabei irreversibel verformt werden und daher bei einer kompletten Demontage und einem erneuten Aufbau nicht wieder genutzt werden können.
Schaltungsdraht und Kupferlackdraht sind nicht das Problem, denn das ist billig in jedem Fachgeschäft nachzukaufen.
Die Messingteile aber, die einen beträchtlichen Teil der Ausstattung darstellen, können nicht mehr in den Ursprungszustand versetzt werden.

In den letzten Tagen konnte ich das Experiment mit den meisten Originalteilen nachbauen. Ziel dabei war die Vermeidung von Materialverbrauch. Alles sollte hinterher wieder rückgebaut und neu benutzt werden können.

Erstes Opfer ist der Ausschneidebogen. Daraus müssen drei Papierteile ausgeschnitten werden, die das Anker-Eisen vor dem Kontakt mit dem Wicklungsdraht schützen. Auch seinerzeit konnte jeder Anwender entscheiden, ob er den Bogen verbraucht oder eine Kopie macht bzw. die einfachen Figuren abpaust. Der musste also nicht zwangsläufig verbraucht werden. Ich habe einen ausgedruckten Scan verwendet.
Die Wicklung der Spulen ist ausreichend erklärt, aber im Alter der Zielgruppe hätte ich mir bessere Erläuterungen zu den Einzelheiten gewünscht, auf die es ankommt und die leicht vergessen werden. Da wäre z.B. die Vorbereitung der Anschlüsse. Wenn man vergisst, die ca. 10 cm Draht zwischen den Spulen für die Anschlüsse vorzusehen, muss man alles wieder abwickeln. Es gibt in dem Abschnitt Fehlerquellen, die schwer korrigierbar sind:

Bild

Ist die Spule fertig, muss der Kollektor montiert werden.
Dieser Teil des Versuchs ist in Konzeption und Material misslungen.
Den Kollektor zusammenzusetzen und mit der Spule zu verbinden, ist filigranes Kunsthandwerk, aber machbar.
So soll es dann aussehen:

Bild


Die Kollektorlamellen werden unwiderruflich verbogen. Man kann sie bei einem Rückbau in diesem Zustand aufbewahren und wieder einsetzen, aber ein Fehler ist dann schlecht korrigierbar.
Schwerer wiegt der Schwindel mit dem Bild: In der unteren Skizze sieht man die Kanten der Kollektorbleche, wenn man genau auf die Drehachse blickt. Das sieht schön kreisrund aus, mit den drei Unterbrechungen bei den Zwischenräumen.
In der Realität ist es leider anders. Der Krümmungsradius der Bleche ist zu groß! Er entspricht genau dem Abstand zwischen dem Mittelpunkt der Lochscheibe und dem äußeren Rand der äußeren Löcher, also ca. 1 mm zu viel. Die Folge ist eine Deformation dieses dreiteiligen Kreises und die Oberfläche des Kollektors hat nicht überall den gleichen Abstand zur Drehachse. Daher werden die Schleifkontakte beim Betrieb des Motors unweigerlich heftig gerüttelt. Der Motor läuft nicht so ruhig wie er soll.

Ich habe mit zu wenig und lausigem Werkzeug diesem Übel abzuhelfen versucht - prinzipiell erfolgreich, aber mit den Mängeln eines Hauruck-Experiments:

Bild


Im Keller habe ich noch einen hölzernen Rundstab gefunden, davon ein Stück abgesägt, in der Mitte durchbohrt und drei kleine Messingbleche aus einem Streifen geschnitten, an einem Ende mit einem Lock für die Drahtanschlüsse und der nötigen Krümmung versehen und mit Zweikomponentenkleber auf den Holzzylinder geklebt. Nach dem Aushärten schnitt ich die überstehenden Bleche zu und bog die schmalen Enden um. Fertig montiert sieht der Kollektor so aus:

Bild


Er hat leider noch zwei Fehler: Der Messingstreifen war zu schmal, die Abstände sind so groß, dass der Stromfluss im Betrieb unterbricht: Der Motor rappelt etwas und muss meistens erst einmal angestupst werden, dann dreht er sich aber mit beachtlicher Geschwindigkeit von selbst.
Und die Bohrung ist mir nicht genau mittig gelungen - das Ding hat eine kleine Unwucht. Ich verspreche, beides zu verbessern. :oops:

Nun kann man entscheiden, ob man einem verbesserten Elektromann diesen Kollektor gleich als Baugruppe mitgibt oder entsprechende Bleche und Zylinder plus doppelseitiges Klebeband getrennt.

Aus einem Teil des Messingstreifens bastelte ich Halterungen für die Schleifkontakte. Die Montage gemäß der Anleitung kam nämlich nicht in Frage, denn da steckt ein weiterer konzeptioneller Fehler. Diese hauchdünnen Bleche muss man brutal verbiegen, eines sogar regelrecht falten. Dadurch wird das Material geschädigt und falls ein zweiter Versuch nötig ist, bricht es unweigerlich. Stellt man sich vor, dass ein z.B. Zehnjähriger auf Anhieb dieses Messing-Origami hinbekommen soll, muss man über die Anleitung hier den Kopf schütteln.

BildBild


Hier eine schnell am Sonntagnachmittag zusammengeklempnerte Alternative:

Bild


Den linken Anschluss musste ich unter der Platte anklemmen, weil oben kein Platz mehr war.
Durch die Mängel des Kollektors geraten diese Messinghalterungen in federnde Schwingungen, was dem Betrieb des Motors aber nicht schadet. Er läuft nun weniger ruhig. Um das zu verbessern, setzte ich zwei Schrauben ein (M3 x 30), die die Bleche halten. Auf diese Weise wird die Zerstörung der Schleifbleche vermieden und die Wahrscheinlichkeit eines Erfolgs erhöht, ohne dass der Aufwand größer wird: Man muss dem Kasten nur zwei handelsübliche Schrauben beilegen und spart sogar einen Haltewinkel.

Zum Aufbau gehört auch ein Polwender, der so wie in der Anleitung beschrieben, fehleranfällig ist. Dazu später mehr. Die nötigen Änderungen lassen sich leicht mit der vorhandenen Ausstattung umsetzen. Hier noch ein Bild dazu mit den beiden Tasten links:

Bild


Als nächstes plane ich den Aufbau eines anderen Kollektors, der kostengünstig, nutzerfreundlich und in allen Teilen experimentierkastengerecht wiederverwendbar sein soll. Mehr dazu später hier.

Grüße
Walther
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Re: Der Elektromotor aus dem Elektromann 1973

Ungelesener Beitragvon buedes » 7. Dez 2015, 21:00

Hallo Walther,

eine dankbare Aufgabe, welche du hier in Angriff genommen hast. Ich freue mich ja immer wieder, wenn jemand über das reine Sammeln hinaus, sich auch intensiv mit den in den Kästen enthaltenen Experimenten befasst, Möglichkeiten und Mängel aufzeigt und sich gar noch um Verbesserungen bemüht. :D

Für mich und für alle, die weder den Kasten noch das Handbuch zu deinem hier angesprochenen Elektromann in Besitz haben, wäre es ganz nützlich, wenn du noch ein paar genauere Informationen zu allen für den Elektromotor vorgesehenen Einzelteilen z.B. auf einem Bild zeigen könntest. Dann könnte man die von dir angesprochenen Mängel besser verstehen.

Bin schon ganz gespannt auf deine End-Ergebnisse!

Gruß, Horst
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Re: Der Elektromotor aus dem Elektromann 1973

Ungelesener Beitragvon lunar_surfer » 7. Dez 2015, 21:29

Hallo Horst,

eine teileliste hatte ich hier schon abgebildet:

http://www.experimentierkasten-board.de/viewtopic.php?f=1&t=1460

Ich schreibe zu dem Thema später nochwas.

Gruß
Walther
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Re: Der Elektromotor aus dem Elektromann 1973

Ungelesener Beitragvon buedes » 7. Dez 2015, 22:01

Hallo Walther!

Für Leute in meinem Alter ist eine solche Verlinkung immer Gold wert, danke dir!
:lol:

Gruß, Horst
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Re: Der Elektromotor aus dem Elektromann 1973

Ungelesener Beitragvon MOVIEMAX » 18. Dez 2015, 13:13

Hallo Walter,
wenn mein Sohn etwas älter ist will ich den auch mit ihm zusammen bauen. Die Schleifkonntakte sind tatäschlich etwas suboptimal für längeren Gebrauch.
Ich habe schon den Plan den Motor als Generator mit der Dampfmaschine aus dem Technikus zu betetreiben.

Weist Du zufällig aus welchem Material der Klarsicht-Kunststoffsreifen mit dem Kosmos Schriftzug ist?

Gruß Markus
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Re: Der Elektromotor aus dem Elektromann 1973

Ungelesener Beitragvon lunar_surfer » 25. Dez 2015, 13:11

Hallo Markus,
der Kunststoffstreifen ist vermutlich aus PET (Polyethylenterephthalat). Sicher bin ich mir da aber nicht. Für die Demonstration der Reibungselektrizität funktionieren auch andere Kunststoffe.
Gruß Walther
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Re: Der Elektromotor aus dem Elektromann 1973

Ungelesener Beitragvon lunar_surfer » 12. Okt 2016, 15:57

Hallo zusammen,

nach langer Pause melde ich mich hiermit zurück.
Zwischenzeitlich habe ich mir den Motor nochmal vorgeknöpft.

Um für die Kollektorfedern eine Lösung zu finden, die weniger fehleranfällig ist, probierte ich eine stufenlos per Gewinde regelbare Halterung an beiden Polen aus:

Bild

Dadurch werden zwei aufwändiger zu fertigende Teile überflüssig und durch jeweils eine stinknormale 5-Cent-Schraube (M3, 40mm) ersetzt. Die beiden Federn können mit zwei Muttern justiert und eingeklemmt werden. Dafür würde je ein dünner Blechstreifen genügen, der nur an einem Ende ein passendes Loch hat. Kein Falten mehr, keine gebrochenen Federn, keine Wutanfälle...

Die zweite Veränderung betrifft den Polwender. Damit kann man den Motor per Tastendruck in beide Richtungen laufen lassen:

Bild

In meinem Eingangsbeitrag ist noch die ursprüngliche Version zu sehen. In der hier abgebildeten Modifikation werden die beiden Tastenfedern nicht mehr gebogen. Diese Teile sind nämlich für andere Versuche verwendbar und haben etwa in der Mitte ein Loch für die M3-Schrauben, was das Biegen sehr erschwert: Wenn man die Federn gleichmäßig zu krümmen versucht, verbiegen sie dort wo sie am schwächsten sind, nämlich auf Höhe der Löcher. Das Justieren in der Version der Anleitung ist fummelig und fehleranfällig. Mehrfaches Korrigieren ist nötig. Auch ohne zu brechen wird sie dadurch verunstaltet und muss vor dem Einsatz in einem anderen Aufbau wieder gerade gebogen werden (Knick, Bruch, Wutanfall...).

In meiner Version werden beide Tastenfedern wieder mit zwei Muttern an der M3x40-Schraube eingeklemmt und können dort so positioniert werden, dass sie die oberen Kontakte berühren, ohne zu verbiegen.

Ich erinnere mich noch deutlich daran, dass beim Elekromann gerne was kaputt ging, wenn Messingbleche zu biegen waren. Das wird mit diesen Modifikationen überflüssig. Der Materialverschleiß wird reduziert.

Gruß Walther
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