Physica - Elektrizität und Magnetismus

...mit denen vor ein, zwei oder drei Generationen mit elektrischer Energie experimentiert wurde ...

Physica - Elektrizität und Magnetismus

Ungelesener Beitragvon Thomas1953 » 30. Jul 2025, 10:09

Hallo zusammen,

heute kann ich einen Kasten vorstellen, der nicht für Privathaushalte, sondern vielmehr für die damaligen (1950er Jahre) Volksschulen konzipiert wurde. Ich selbst verbrachte von 1959 - 1963 die ersten vier Jahre meines Schullebens in eben einer solchen Volksschule eines kleinen Dorfes in Niedersachsen mit ca. 500 Einwohnern. Die erste bis dritte Klasse und die vierte bis sechste Klasse wurden je in einem Schulraum von je einem "Universallehrer" gleichzeitig unterrichtet. Kaum zu glauben, dass das funktioniert hat. Diese Schule wurde später aufgelöst, und im Zuge dessen hat mein damaliger Lehrer an mich gedacht und mir die "naturwissenschaftliche Sammlung" :grins: übereignet. In erster Linie war dies ein unvollständiger Lehrmittelkasten der Fa. Physica, die 1947 gegründet wurde und solche Lehrmittel für finanziell minderbemittelte Schulen herstellte, aber schon vier Jahre später pleite war. Ende 1951 übernahm die bekannte Fa. PHYWE die Physica und nahm damit einen Konkurrenten aus dem Markt.

Als ich vor ein paar Jahren bzgl. des Kastens recherchierte, kam ich auch kurz in Email-Kontakt mit Hermann Kurzke in Mainz und Helmut Sattler in Frankfurt, den Söhnen der wissenschaftlichen Köpfe der Physica, Dr. Herbert Kurzke und Dr. Helmut Sattler. Von ihnen bekam ich ein paar Anleitungsbücher und Prospekte, sowie einen Hinweis auf das lesenswerte Buch von Hermann Kurzke "Was mein Vater nicht erzählte". In diesem Buch gibt es einen Verweis auf einen "Spiegel"-Artikel von 1952, der die Machenschaften des vor dem Krieg mehrfach verurteilten und später gerichtlich verfolgten "Finanzgenies" der Physica, Georg Hoffmann, beschreibt. Amüsant zu lesen. :D https://www.spiegel.de/politik/lehrhaftes-spielzeug-a-73f5641b-0002-0001-0000-000021058571

In den letzten Tagen konnte ich den Kasten tatsächlich vervollständigen, hier ein paar Bilder.
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Kasteninhalt_1.jpg
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Teile_2.jpg
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Trafo_und_Gleichrichter.jpg
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Anleitung_1.jpg
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Thomas1953
 
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Re: Physica - Elektrizität und Magnetismus

Ungelesener Beitragvon Thomas1953 » 30. Jul 2025, 10:31

Hier noch die Versuchsliste und zwei Beispielaufbauten.
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Versuche_1.jpg
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Versuche_2.jpg
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Versuche_3.jpg
Versuche_3.jpg (1.96 MiB) 366-mal betrachtet
Drehspulinstrument.jpg
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Induktionszähler.jpg
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Thomas1953
 
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Re: Physica - Elektrizität und Magnetismus

Ungelesener Beitragvon Georg » 30. Jul 2025, 16:03

Hallo Thomas,
Ich selbst verbrachte von 1959 - 1963 die ersten vier Jahre meines Schullebens in eben einer solchen Volksschule

Trotzdem ist was aus dir geworden :=)
Ich bin übrigens auch mal in einer solchen Schule gewesen,
allerdings nur von den Sommerferien bis Ostern 1957.
Der Lehrer stammte aus Kottbus, irgendwie hatte es ihn in
wohl kriegsbedingt in die Pfalz verschlagen.
Wie das funktionierte? Der Lehrer machte eine Art
Gruppenunterricht, die Gruppen waren nach Leistungsvermögen
sortiert, nicht nach Jahrgang.
Es gab "Wetterkunde" (mit täglichen Aufzeichnungen) einen
Schulgarten, wo wir lernten Beete richtig anzulegen, usw...
Hochdeutsch lernten wir auch (nach Rahn-Pfleiderer).
Jedenfalls hab ich in dem guten Halbjahr mehr gelernt als
in den 3 1/2 jahren zuvor.
Rechnen (Kopf-, schriftlich -, Bruchrechnen, "geschicktes Rechnen")
war groß geschrieben davon ist mir manches erst 2 Jahre später im
Gymnasium wieder untergekommen.
Das nur als einiige Highlights, die mir damals, von einer
normalen Volksschule nach Lehrplan kommend besonders auffielen.
Disziplinarprobleme gab es nicht, keine Strafen, der Lehrer
hatte es nicht nötig.
Gruß
Georg
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Re: Physica - Elektrizität und Magnetismus

Ungelesener Beitragvon Thomas1953 » 31. Jul 2025, 20:40

Hallo Georg,

jetzt, wo du es schreibst, kommt bei mir auch der Rahn-Pfleiderer wieder in Erinnerung. Lang ist es her ... . Auch in unserer Schule standen in der vierten bis sechsten Klasse jeden Morgen zwei Stunden "Rechnen" im Stundenplan, zuerst immer zum Wach- und Warmwerden zehn Minuten "Wettrechnen", d.h. der Lehrer, sagte z.B. 7 mal 18, und wer als erster die richtige Antwort sagte (da ging es oft um Sekundenbruchteile :D), durfte sich setzen und hatte damit sein Soll erfüllt. Dann die nächste Aufgabe, und so weiter, bis der letzte sich setzen durfte. Im Klassenzimmer gab es drei Klassen: Links vom Lehrer war die Reihe der ersten Klasse, in der Mitte die zweite und rechts die dritte Klasse (mit jeweils ca. 12 Schülern, Mädchen und Jungen). Im anderen Schulraum das entsprechende für die vierte bis sechste Klasse. Etwas sehr Bemerkenswertes ist mir noch in Erinnerung:

Als ich damals in die erste Klasse ging, gab es einen älteren Jungen, der war schon mal sitzengeblieben und war mittlerweile in der dritten Klasse, aber dort wohl wieder überfordert. Mitten im Schuljahr sagte der Lehrer urplötzlich während des Unterrichts: "Jörn, setz dich bitte in die mittlere Reihe, und sag deinen Eltern, du bist ab heute wieder in der zweiten Klasse." :mrgreen: Ohne Murren oder Widerrede wechselte er den Platz, und auch die Eltern nahmen es ohne weitere Reaktion zur Kenntnis. Da war der Lehrer das Gesetz und unanfechtbar. Heute unfassbar und kaum zu glauben, aber wahr, und hat auch keinem geschadet.

Ich nehme mal an, in unserem Board hier gibt es wenige, mit solchen Schulerfahrungen.

Viele Grüße,
Thomas
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Re: Physica - Elektrizität und Magnetismus

Ungelesener Beitragvon Georg » 1. Aug 2025, 09:20

Hallo Thomas,
das "Wettrechnen" erinnert mich an den "Dummenvorstand".
Bei dem Lehrer :
https://de.wikipedia.org/wiki/Hans_Blinn
Deutschunterricht, 1. Klasse Gym. gab es den "Dummenvorstand".
Frage:
"haben, 3. Person Plural Plusquamperfekt Konjunktiv "
Je nach Antwort durfte man sich setzen oder nicht.
Der Letzte mußte alle Hilfszeitwörter - Formen
5 mal abschreiben und hatte den Titel "Dummenvorstand"
bis zur nächsten Stunde :=)
Gruß
Georg
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Re: Physica - Elektrizität und Magnetismus

Ungelesener Beitragvon Thomas1953 » 7. Aug 2025, 15:11

Da gerade die "Physica" bei mir akut ist, habe ich mir einen Motor dieser Firma von 1952 zugelegt, in etwa mein Jahrgang. :grins: . Es ist ein 220 V Wechselstrommotor mit dreifach-T-Anker, aber in eigenwilliger Konstruktion. Beim ersten Anschluss an 220 V gab er nur ein Brummen von sich, gedreht hat sich nichts. Bei genauerem Hinsehen bemerkte ich, dass die Kommutatorbürsten über die Lagerplatte kurzgeschlossen sind und selbst keine Anschlüsse für den Strom haben. Die 220V-Leitung geht nur an die Feldwicklung! :haeh: Grübel, grübel, ... Nach einigem Nachdenken kam ich auf die Idee, dass die Feldwicklung im Anker eine Spannung induziert, und zwar so, dass an den Kommutatorlamellen unterschiedliche Spannungen anliegen und somit über die Bürsten durch die Ankerwicklung ein Strom fließen kann. Damit wird im Anker ein Magnetfeld erzeugt, was dann zur Drehbewegung führt.

Also noch mal Spannung angelegt und den Anker von Hand "angeschubst". Und siehe da, er bewegt sich doch. Durch das Verdrehen der Lagerplatte kann man die Drehrichtung ändern und auch die Drehzahl. Nach diesem ersten Laufenlassen, läuft der Motor jetzt auch ab etwa 100 V von allein an. Die Feldwicklung zieht bei 220 V etwa 40 mA. Hat jemand von euch schon mal eine solche Konstruktion gesehen?
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Physica_Motor_1952_II.jpg
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Re: Physica - Elektrizität und Magnetismus

Ungelesener Beitragvon Georg » 8. Aug 2025, 12:58

Groschopp.jpg
Groschopp.jpg (227.98 KiB) 43-mal betrachtet
Hat jemand von euch schon mal eine solche Konstruktion gesehen?


Ja, da kann ich dir helfen.
Der Motor im angehängten Bild stammt aus einem
Mikroskopielabor, was er da antrieb, weiß ich nicht.
Auf dem Typschild steht u.a. "RPM 90-60" was ich
nicht verstehe. Die Postleitzahl ist noch 4060, der
Hammerschlaglack bedeutet Produktion nach ca. 1955.
Gruß
Georg
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Re: Physica - Elektrizität und Magnetismus

Ungelesener Beitragvon Thomas1953 » 8. Aug 2025, 16:03

Hallo Georg,

hast du den Motor auf Lager? :grins: Wenn du in ebay nach Groschop RPM 90-60 suchst, findest du einen grünen Motor, ähnlich zu deinem, aber mit Getriebe. Vielleicht ist RPM 90-60 nur eine Typbezeichnung. Wie sieht es denn im Anschlusskasten auf deinem Motor aus? Und wozu dient der Hebel rechts mit dem Kugelkopf?

Viele Grüße,
Thomas
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Re: Physica - Elektrizität und Magnetismus

Ungelesener Beitragvon Georg » 8. Aug 2025, 16:50


Ja,
der Motor ist bei mir "auf Lager".
Der Verdacht, daß RPM xyz die Type ist,
kam mir inzwischen auch :=(
RPM = Reversier-Pol-Motor ?
Zunächst hing ich an "rotations per minute"
fest, was aber zahlenmäßig gar nicht passte.
Im Anschlußkasten ist ein Kippschalter,
der das Netz zum Stator (zweipolig) duchschaltet.
Der Hebel rechts regelt diie Drehzahl, Mitte = Stillstand
links bzw rechts schnellere Drehung in entsprechender
Richtung . Der Hebel betätigt ein Paar Kohlen ,
die den Trommelanker kurzschließen.
Also alles wie bei deinem Motor, nur etwas größer.
Er wiegt 4,5 kg
Bist du interessiert?
Gruß
Georg
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Re: Physica - Elektrizität und Magnetismus

Ungelesener Beitragvon Thomas1953 » 8. Aug 2025, 18:17

Hallo Georg,

interessant, dass so etwas auch industriell verwendet wurde/wird, hätte ich nicht gedacht. Also 4,5 kg sind einfach zu wenig. Ab 1000 ... :mrgreen:

Viele Grüße,
Thomas
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