Im Jahr 1972 brachte PHILIPS den Computer Lehrbaukasten CL1601 auf den Markt. Dieser basierte im Unterschied zum 1968 von KOSMOS auf den Markt gebrachten Spielcomputer LOGICUS (siehe dort), der rein elektro-mechanisch konzipiert war, auf elektronischen Bauteilen.
Im Wesentlichen besteht der Baukasten aus zwei verschiedenen Typen von Bausteinen. Einem Eingabebaustein mit sechs von einander unbhängigen digitalen Eingabeschaltern, über die ein Eingang entweder auf logisch 1 (an) oder logisch 0 (aus) geschaltet werden kann. Gleichzeitig dient dieser Baustein als Spannungsversorgung für die anderen Bausteine und wird mit 4 sogenannten Babyzellen zu je 1,5 Volt bestückt (insgesamt 6 Volt).
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Der andere Bausteintyp realisiert die logischen Schaltfunktionen. Insgesamt sind in dem Baukasten CL1601 fünf dieser Logikbausteine enthalten. Jeder Baustein dieses Typs verfügt über 3 Eingänge, die mit über die Eingabeschalter des Eingabebausteins gesteuerten Ausgänge verbunden werden. Je nach realisierter logischer Funktion wird der Zustand des Logikbausteins (das Ergebnis der logischen Verknüpfung, entsprechend der Eingaben und der realisierten logischen Funktion) über eine Leuchtanzeige angezeigt oder über einen Ausgang an andere Logikbausteine als Eingabe weitergegeben.
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Insgesamt können also über den vorhandenen Eingabebaustein (mit 6 Eingabeschaltern) 2 Logikbausteine (mit je 3 Eingaben) versorgt werden.
Die Besonderheit der Logikbausteine besteht darin, daß den Bausteinen keine feste logische Funktion (UND, ODER, etc.) zugeordnet ist. Vielmehr wird die zu realisierende logische Funktion für jeden Baustein vom Benutzer durch besondere Verdrahtung zwischen acht Anschlüssen in der tieferlegten Mitte der Bausteins ("Programmierfeld", siehe Bild oben) bestimmt. Auf die Verdrahtung der logischen Funktionen soll später noch genauer eingegangen werden.
Das unterste Anschlußpaar in der Mitte der Bausteine (durch ein Kondensator-Symbol gekennzeichnet) die zur Zuschaltung eines Kondensator. Dies erlaubt die verzögerte Rückkopplung von Ausgängen auf Eingänge desselben Bausteins. Unter anderem ist es so auch möglich Taktgeneratoren zu realisieren.
Das folgende Bild zeigt die Zubehörteile, die im Kasten CL1601 enthalten sind. Es handelt sich hier hauptsächlich um Verbindungsdrähte und Verbindungsstöpsel zur Befestigung der Drähte. Zusätzlich ist als eintiges elektronisches Bauelement der bereits oben erwähnte Kondensator (220 myF).
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Bei den rechts im Bild zu sehenden grauen Steckern mit jeweils zwei Kontakten handelt es sich um Stromversorgungsstecker, die (ausgehend vom Eingabebaustein mit der Stromversorgung) in die auf den Bausteinen diagonal an jeder Ecke vorhandenen Kontaktlöcher gesteckt werden. Ein Verpolung zwischen den einzelnen Bausteinen ist ausgeschlossen, da die mechanischen Zapfen und Nuten an der Seite der Bausteine sicherstellen, daß sich immer nur Plus- und Minus-Buchsen gegenüberliegen.
Die logische Verdrahtung (Ein- Ausgänge) zwischen den Bausteinen bzw. die Verdrahtung zur Festlegung der logischen Funktionen ist denkbar einfach gelöst. Kurze Drahtstücke werden in Kunststoffzapfen eingeführt. Dazwischen werden die Verbindungsdrähte gesteckt, so daß sich beim Einstecken der Zapfen in die Anschlüsse die Drahtstücke und Drähte im Anschluß festklemmen.
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Das folgende Bild aus dem Handbuch zeigt die Zusammenschaltung des Eingabebausteins mit einem Logikbaustein. Realisiert wird die logische UND-Funktion mit zwei Eingängen. Die schematischen Darstellungen im Handbuch werden immer in zwei Teile aufgeteilt. Die obere Abbildung zeigt jeweils die Verdrahtung im Programmierfeld, durch die die gewünschte logische Funktion - hier UND - vorgegeben wird. Die untere Abbildung zeigt die Verdrahtung der Eingabeschalter mit den Eingängen des Logikbausteins. Die beiden dicken Balken in der oberen Abbildung kennzeichnen die Stromversorgungsstecker zwischen Eingabebaustein und Logikbaustein.
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Warum die Verdrahtung auf dem Programmierfeld nun genau so und nicht anders ausgeführt wird, um die UND-Funktion zu erhalten, wird an dierser Stelle im Handbuch übrigens nicht erläutert. Darauf möchte ich aber später noch eingehen.
Ergänzungskästen
In 1972 wurde nur der Grundkasten CL1601 von PHILIPS auf den Markt gebracht. Für stolze 229,-- DM konnte dieser Baukasten erworben werden. PHILIPS hat diesen Baukasten bis 1980 angeboten, wobei der Preis im Laufe der Jahre auf 280,-- DM gestiegen ist.
Wohl wegen des hohen Preises ür den CL1601 wurde ab 1974 der etwas günstigere Einstiegskasten CL1650 für 130,-- DM angeboten. Er bot die selben Möglichkeiten wie der große CL1601, enthielt allerdings neben dem Eingabebaustein nur zwei Logikbausteine statt der in im CL1601 enthaltenen fünf Logikbausteinen. Der CL1650 konnte aber mit weiteren Ergänzungskästen auf den Stand des CL1601 erweitert werden.
Insgesamt wurden die folgenden 4 Ergänzungskästen angeboten:
- CL1602 - Dieser Baukasten wurde ab 1973 angeboten. Er enthielt im Wesentlichen 2 weitere Logikbausteine, die für komplexere Schaltungen zusätzlich zu den Logikbausteinen des CL1601 oder zur Erweiterung des CL1650 auf den (annähernden) Stand des CL1601 benötigt wurden.
- CL1603 - Angeboten ab 1973. Der Baukasten enthielt einen weiteren Eingabe-/Stromversorgungsbaustein und einen weiteren Logikbaustein. Ein weiterer Eingabe-/Stromversorgungsbaustein war insbesondere dann erforderlich, wenn mehr als 8 Logikbausteine verschaltet werden sollten.
- CL1604 - Dieser Baukasten wurde erst ab 1974 angeboten. Er enthielt neben einem weiteren herkömmlichen Logikbaustein (mit Lämpchen und Ausgabebuchse) einen Logikbaustein mit Relaisstufe als Ausgabe, sodass über diesen Baustein externe Geräte geschaltet werden konnten.
- CL1605 - Angeboten ab 1974. Mit diesem Baukasten wurden erstmalig zwei komplett neue Bausteine eingeführt. Der Kasten enthielt eine Baustein mit Ziffernanzeige und einen programmierbaren Flip-Flop-Baustein.
Eine gute Übersicht über diese (und andere) Baukastenreihe von PHILIPS bekommt man auch auf den sehr zu empfehlenden Seiten von Norbert Schneider - PHILIPS/SCHUCO Experimentiersystem.
Handbuch
Ab 1974 wurden die Grundkästen CL1601 bzw. CL1650 mit einem umfassenden Handbuch (wie immer bei PHILIPS als Loseblattsammlung) geliefert. Das Handbuch behandelte nicht nur die Grundkästen, sondern auch alle Ergänzungskästen bzw. komplexere Schaltungen, für die Ergänzungskästen benötigt wurden. Das mir vorliegende Handbuch behandelt allerdings nur die Grundkästen und die Ergänzungskästen bis CL1604. Das komplette Handbuch, daß auch den Kasten CL1605 (Flip-Flop-Baustein) behandelt, war anscheinend erst Ende 1974 verfügbar, sodaß ich wohl nur eine frühere Version aus 1974 habe.
Hier nun Auszüge aus diesem Handbuch, d.h. das Inhaltsverzeichnis und die Stücklisten, die die Teile aller Grundkästen und Ergänzungskästen aufführen.
Der Ausgabe von 1972 des CL1601 war das Handbuch allerdings noch nicht komplett beigelegt. Das Handbuch bezog sich erstens nur auf den Baukasten CL1601 und enthielt nur die Kapitel 1 bis 4 von insgesamt 13 Kapiteln, die für das Experimentieren mit dem CL1601 notwendig sind. Man mußte erst eine separate Bestellung an PHILIPS senden, um auch in den Genuß der Seiten bis einschließlich Kapitel 13 zu kommen ...
Das mir vorliegende Handbuch von 1974, daß die Baukästen bis einschließlich des Ergänzungskastens CL1604 behandelt, hat insgesamt 17 Kapitel.
Vom Ergänzungskasten CL1605 besitze ich leider nur die ergänzenden Kapitel 18 bis 22 für die Experimente mit dem Ziffernanzeige- bzw. Flip-Flop-Baustein. Den Baukasten selbst habe ich bisher noch nirgendwo zum Verkauf gesehen.
Erstes Fazit
Je nachdem, in welchem Jahr man sich einzelne dieser Baukästen kaufte und wie komplex die aufgebauten Schaltungen sein sollten, musste der Digitaltechnik-Interessierte auf (meiner Schätzung entsprechend) mindestens 500,-- bis 1000,-- DM aufwenden, um halbwegs interessante Schaltungen aufbauen zu können. Schon aus diesem Grund will sich bei mir keine rechte Begeisterung oder Überzeugung für dieses Konzept von PHILIPS einstellen.
Bedenkt man außerdem die Größe der verwendeten Bausteine von ca. 15 cm x 10 cm, so kann eine mit diesen Bausteinen aufgebaute Schaltung wohl kaum im Rahmen von umfassenderen Elektronik oder Steuerungsprojekten eingesetzt werden. Somit bleibt nur der reine Lehreffekt - aber bei diesem Preis ...